Alles ist grau. Die ganze Welt, das ganze Universum, meine Gedanken, meine Wahrnehmung. Alles grau. Es ist mehr als ein Schleier. Es ist mehr als Scheuklappen. Es ist ein Korsett, das mein Bewusstsein einzwängt. Ein Korsett, das viel zu klein ist. Es tut weh. Es schneidet in die Seiten meines Ichs.
Ich spüre den Schmerz. Und doch spüre ich ihn nicht. Ich will hier raus! Woraus? Aus mir selbst? Ist das möglich? Es muss. Ich muss hier weg. Hier raus. Nur wohin? Mir fällt kein Ort, kein Ziel, Nichts ein, wo ich lieber sein möchte als hier und jetzt. Und gleichzeitig will ich überall sein, nur nicht im hier und jetzt. Nur nicht ich sein. Ich will weg. Ich muss weg.
Doch wie soll es gehen? Ich schreie ohne einen Laut von mir zu geben. Ich renne ohne mich zu bewegen. Es zerrreißt mich innerlich. Mein Körper ist mein Gefängnis, mein Bewusstsein ist gefangen und verstümmelt. Ich werde ausbrechen.
Ich öffne meinen Brustkorb. Zuerst ziehe ich die Haut über dem Brustbein auseinander, ich spüre nichts. Blut läuft an mir hinunter, ich spüre nichts. Ich breche das Brustbein auf und ziehe die Rippen auseinander, ich spüre nichts. Ich sehe meine Lungenflügel, wie sie sich füllen und wieder zusammenziehen und dann in sich zusammenfallen, ich spüre nichts. Ich schiebe die rosanen, glitschigen und schweren Flügel zur Seite. Da sehe ich mein Herz, ich spüre nichts. Es pumpt, es ist rot, es pulsiert. Ich packe es und reiße es heraus, ich spüre nichts. Ich schleudere mein Herz vor mich auf den Boden, es zerplatzt. Das Nichts bleibt. Der Schmerz , die Panik , die Enge ….. Das Leben.
Ich setze meine Dekonstruktion fort. Meine Hände tasten sich durch den bereits geöffneten Brustkorb. Dort ertaste ich meine Luftröhre. Ich ziehe. Ich ziehe und sie löst sich. Wie eine Schlange hängt sie in meiner Hand. Langsam, voller Verzweiflung lasse ich meine Hand sinken. Ich öffne sie und die Luftröhre gleitet aus meiner Hand.
Wie kann es sein, dass ich immer noch lebe? Wieso kann ich mir nicht entkommen?
Ich schreie wieder. Es ist wieder leise. Ich schreie so laut ich kann. Es ist leise. Ich schreie noch lauter als ich kann. Meine schlaff hängenden Lungenflügel platzen. Ich schreie. Meine Stimmbänder reißen.
Ich kann es nicht mehr ertragen. Ich schlage mit der Hand an meine Kopf. Die Knochen zwängen mich ein. Ich will frei sein. Frei von dem Schmerz, frei von dem Leid, frei von den Sorgen, frei von der Welt, frei von mir.
Ich schlage mit aller Kraft gegen meinen Kopf. Die Schädeldecke zerbirst. Meine Hand steckt in meinem Gehirn. Ich ziehe sie wieder hinaus. Als ich ein weiteres Mal in meinen Kopf eindringe, zerplatzt er. Überall das Blut, die Knochen, das Gehirn. Ich fühle mich befreit. Frei!!!
Und es wieder alles vorbei. Ich bin wieder gefangen in meinem Körper, in meinem Geist, in mir.
Ich werfe mich auf den Boden, diesmal ist es real. Ich spüre das Gras, die Steine, die Erde. Ich spüre Nässe, ich rieche Natur.
Ich fühle mich sicher, für einen Augenblick. Ich versuche den Boden festzuhalten. Doch er verschwindet unter mir. Ich versuche ihn zu packen, doch er entfernt sich von mir. Je stärker ich es versuche, desto schneller verschwindet er.
Dann ist er weg.
Was bleibt, ist grau. Aber ein farbloses grau. Nicht das grau, das die Haare mancher Menschen ziert, nicht das grau, das den Regen ankündigt, nicht das grau des dreckigen Schneematsches voller Abgase.
Es ist ein Leeres grau. Es ist die Leere selbst, die ich sehe. Ich blicke an mir hinunter, auch da ist Leere.
Ich bin nichts.